Mittwoch, 25. Juli 2018

Rezension | Die Hochzeitsgabe

"Die Hochzeitsgabe" | Geraldine Brooks | btb Verlag
Hanna, eine junge, angesehene Buchrestauratorin, wird 1996 von Sydney in das vom Bürgerkrieg zerrissene Sarajevo gerufen. Sie soll dort die kostbare Sarajevo-Haggadah, eine jüdische Handschrift aus dem 15. Jahrhundert, unter die Lupe nehmen. Hanna wittert eine große Chance für ihre Karriere und ahnt nicht, dass dieser Auftrag ihr Leben verändern wird. In der Bibliothek angekommen, trifft sie auf den zurückhaltenden moslemischen Museumsleiter Ozren, der das Buch vor der Zerstörung gerettet hat. Er irritiert und fasziniert sie gleichermaßen. Und je mehr sich Hanna auf einer Spurensuche, die sie durch ganz Europa führt, mit der Schrift und ihrer geheimnisvollen Geschichte beschäftigt, desto mehr wird sie auch mit ihrer eigenen Vergangenheit und Herkunft konfrontiert...
Bei diesem Buch handelt es sich ebenfalls um eine Empfehlung einer Buchhändler-Kollegin. Nachdem sie mir von dem Buch erzählt hatte, wollte ich mich sofort selbst davon überzeugen.
"Die Hochzeitsgabe" ist eine Reise. Eine Reise mit so vielen Details und Besonderheiten, dass es mir schwer fällt, mich an alle Kleinigkeiten zu erinnern, aber die Gesamtheit dieses historischen Romans ist einfach wunderschön.
Man muss gewisse historische Vorkenntnisse haben, um einige Konflikte besser zu verstehen, es lässt sich dennoch ganz leicht lesen und verstehen. Dafür lehrt dieses Buch vor allem eins: Toleranz. Denn wenn es darum geht, ein Jahrhunderte-altes Schriftstück zu retten, spielt der Glaube keine Rolle mehr und der Zusammenhalt ist groß.
Die Geschichte ist in mehrere Abschnitte unterteilt, wobei sie zeitlich bis ins 15. Jahrhundert zurückgeht. Dabei wird abwechselnd ein Kapitel aus Hannas Sicht im Jahr 1996 erzählt, woraufhin eine kurze Geschichte aus einer anderen Zeit folgt, immer im Zusammenhang zu dem, was Hanna zuvor entdeckt hat. Und da haben wir auch schon das Faszinierendste an dieser Story: jede klitze-kleine Entdeckung, die Hanna während ihrer Forschung macht, beispielsweise auf dem Papier oder an der Bindung der Haggadah, erzählt eine eigene Geschichte. 
Und das veranlasste mich zum Nachdenken. Schaut man sich alte (wirklich alte!) Bücher an, muss man sich mal bewusst machen, durch wie viele Hände jenes Exemplar vielleicht schon gewandert ist. Und jeder noch so kleine Fleck könnte eine Bedeutung haben. Die Autorin schafft so unbeschreiblich schöne Szenen, in denen Hanna ihrer Arbeit nachgeht. Dabei ist es so interessant zu erfahren, wofür welches Werkzeug benutzt wird, und was für historische Schlüsse man aus dieser Untersuchung ziehen kann. Ein schönes Beispiel hier: der Insektenflügel, der ein Beweis dafür ist, dass sich die uralte Schrift einmal in den Alpen befand. Oder: ein Salzwasser-Korn, der einen Hinweis auf eine Schiffsfahrt übers Meer gibt. Und der Moment, wenn sich alles zusammenfügt - herrlich!
Dabei beruht die Geschichte auf einem echten historischen Artefakt: der Sarajevo-Haggadah. Dies ist eine jüdische Schrift, die als eine Art Handlungsanweisung bei besonderen Festen benutzt wird. Jeder Haushalt besitzt eine eigene Haggadah. Die Wiederentdeckung der Sarajevo-Haggadah erhielt besonders viel Aufsehen, nachdem sie während des zweiten Weltkrieges vermutlich zerstört wurde. Dabei ist diese Haggadah die älteste noch existierende Haggadah auf der ganzen Welt.
Der Leser reist also zurück durch die Zeit und versteht mehr und mehr die Bedeutung, die dieses Schriftstück sowohl für die Juden als auch für die Muslime trägt. 
Man erfährt so viel über das Thema "Glaube" im Allgemeinen und wie groß die Veränderungen über die Jahrhunderte waren. So viel, was in Vergessenheit geriet. Und was für eine große Rolle der Glaube in der Renaissance spielte. Wenn ich nur ein Adjektiv zum Beschreiben dieses Romans nutzen dürfte, wäre es "beeindruckend". Besonders auch für Liebhaber des Medium "Buch".


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